Christoph Schneider gestaltet eine dystopische Szenerie für die Ausnahmeerscheinung des deutschen Rap
Der Künstler Alligatoah ist nicht leicht zu fassen. Nonchalant verheiratet er Rap mit eingängigen Pop-Melodien, schlüpft in wechselnde Persona und begeistert mit diesem einmaligen Gesamtpaket seit Jahren ein großes Publikum. Das Theatralische, es liegt ihm. Im Herbst 2023 setzt die Ausnahmeerscheinung des deutschen Rap seine „Retour“ fort, mit der er das aktuelle Album „Rotz & Wasser“ präsentiert.
Christoph Schneider (u.a. Casper, Marteria&Casper1982, Moderat, RyX) ist bei dieser Tour, die von der ibb Booking GmbH und der Boldt Berlin GmbH geplant und umgesetzt wird, für das Lichtdesign verantwortlich. Dieser spezifizierte 46 GLP JDC1, zehn JDC Line 1000 und fünf impression X5 Wash, um die Vision des Künstlers in eindrucksvolles Licht zu tauchen.
Und die sei bereits klar gewesen, als Christophs Arbeit begann: „Alligatoah ist ein sehr kreativer Mensch, der sich stark ins Showdesign einbringt. Den Großteil des Setdesigns hat er selbst konzipiert, ebenso das Intro sowie Choreografien zu einzelnen Songs. Auf dieser Basis habe ich das Lichtdesign entworfen und die Show programmiert, dabei Alligatoahs Ideen weiterentwickelt und das Konzept mit Leben gefüllt. Das betraf zum Beispiel die Positionen der Riser in den einzelnen Songs und die Frage, wann steht mal alles still bzw. wann bewegt sich wie viel? Die Requisitenauswahl für die einzelnen Songs traf der Künstler selbst.“
Show in drei Akten
Der Leidenschaft des Musikers für gekonnte Theatralik entsprechend, teilt sich die Show in drei Akte: Der 1. Akt spielt im Paketzentrum, der 2. Akt im Freien, wo die Pakete (u.a. von beleuchteten Drohnen) ausgeliefert werden, und der 3. Akt ist in einer monochrom orangen Welt angesiedelt, die zunächst nichts Gutes zu verheißen scheint.
Die Show wird generell eher reduziert ausgeleuchtet, oft auch nur aus einer Richtung. Die klassische Ausleuchtung der Laufbänder erfolgt von Gassentürmen. Das Lichtdesign selbst arbeitet überwiegend monochrom, bis es in einem farbenprächtigen Finale aufgeht.
Christoph erklärt: „In meinen Designs geht es immer wieder um Kontraste und größtmögliche Dynamik: Ganz kleine Looks gegen ganz große, monochrome gegen schillernde Farbexplosionen. Ziel ist, eine Geschichte zu erzählen und das Publikum mit auf eine Reise zu nehmen.“
Showdesign
„Retour“, der Titel der Tournee, ist stilprägend für das Design. Die Bühne zeigt das vermeintliche Herz der modernen Gesellschaft: ein Paketlager. Zwei 14 Meter lange Laufbänder schicken Pakete, Musiker und Requisiten hin und her, wobei die Beleuchtung der Laufbänder während der drei Akte grundlegend variiert. Während im ersten Akt impression X5 – in alten Industrielampen verborgen – die Lichtstimmung setzen, kommen im zweiten Akt Paketdrohnen mit Beamlights zum Einsatz. Den dritten Akt prägen zwei Lichtlinien aus GLP JDC1, die als variable Lichtobjekte über den Laufbändern schweben.
Darüber hinaus sorgen zwei ebenfalls verfahrbare Riser für DJ und Schlagzeug für sich ständig verändernde Lichtbilder. Das trapezförmig angelegte dystopische Bühnenbild wird vorne von einem Rolltor abgeschlossen. Der Look der gesamten Show ist eher düster und verstörend.
Bühnenarchitektur mit JDC1
Mit GLP JDC1 – eines von Christophs Lieblingswerkzeugen – zeichnet der Designer die Trapezform der Bühne nach. Ein zweites, sich nach vorne hin verjüngendes Truss-Trapez kehrt diese Form bewusst um. Gemeinsam mit kompakten Beamlampen bilden JDC1 auch das Floorset und kreieren speziell im 3. Akt einen minimalistisch anmutenden architektonischen Raum.
„JDC1 haben im Grunde einen festen Platz in meinen Designs, weil sie so unglaublich vielseitig sind“, stellt der Designer fest. „Ich ersetze damit regelmäßig klassische Washlights, Strobes und Fluter. Außerdem setze ich sie gerne sehr grafisch ein. Die Menge und Dichte der Hybrid-Geräte im Rigg erlaubt mir, sie beinahe wie eine grobpixelige LED-Wand zu inszenieren.“
Die impression X5 habe Christoph gewählt, weil sie keine Base haben und daher in den begrenzten Raum der gewählten Industrielampen passten. „Ich wollte die Movinglights in den Lampen komplett verschwinden lassen, aber dennoch etwas Bewegung ermöglichen. Daher wählte ich ein möglichst kompaktes Gerät.“
Für den 3. Akt, der nach all den überwiegend monochrom und reduziert ausgeleuchteten Looks farblich in einem gigantischen Regenbogen gipfelt, gestaltete Christoph mit LED-Bars einen klaren Architekturraum und ein zentrales Lichtobjekt aus JDC Line 1000, welches wie eine Lichtkunstinstallation in einem Museum wirkt.
Das Lichtobjekt besteht aus zwei Lichtlinien, welche die Lichtdynamik im 3. Akt vordergründig prägen. Für den letzten Song „Willst du“ werden sie noch einmal verfahren, wodurch sich der gesamte Lichtraum erneut verändert.
Durch Strobe-Effekte und – mal schnellere, mal langsamere – Chaser unterstreichen die Bars Rhythmus und Tempo – von sanft fließend bis blitzschnell und gleißend hell, während die JDC1 in diesem letzten Akt hauptsächlich die Vorhänge beleuchten.
Christoph Schneider entwickelte und programmierte die Show als reine Timecodeshow mit nur wenigen Live-Einsätzen (Blinder, Follows und Nebel). Verantwortlicher Operator für den ersten Tourblock im Februar dieses Jahres war Adrian Schmidt. Die Festivalshows und die Herbsttournee übernahm Thomas Stranzl.